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Dekanin wirbt um Respekt, Vielfalt und Dialogbereitschaft

Rechtsextremismus und dem Regen in Nassau getrotzt

B.-Chr. Matern„Wir sind mehr!“ – das zeigte die Demonstration in Nassau, die gegen völkisches Gedankengut und für Freiheit, Vielfalt und Demokratie ein starkes Zeichen setzte.

NASSAU/RHEIN-LAHN. „Wir sind mehr!“ skandieren Sprechchöre von Menschen, die sich am Wochenende vor der Nassauer Stadthalle eingefunden haben. Sie wollen ihre Ablehnung der AfD gegenüber, die sich darin versammelt, lautstark bekunden. Das ist in der Tat so. Trotz Regenwetters und Kälte haben sich zwischen 500  rund 700 Demonstranten versammelt, um den schätzungweise 60 Teilnehmenden in der Halle Kontra zu bieten.

Die angemeldeten Gäste der Parteiveranstaltung genießen sichtlich den Empfang mit Trillerpfeifen und Hupen und sonnen sich im aufkeimenden Geräuschpegel, wann immer sie zur Halle gehen oder aus ihr herauskommen, provozieren geradezu das bunte Bad des Protestes. Gegen die Lautstärke am Amtsplatz hat es zunächst auch die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Kerstin Janott schwer, Begrüßungsworte an die Menschen zu richten. Sie dankt den Veranstaltern der Demonstration, einer Privatinitiative Nassauer Bürger, dass sie zu den Menschen sprechen darf. „Gemeinsam setzen wir ein Zeichen. Für Vielfalt. Gegen Hass und Ausgrenzung“, sagt Janott. „Wir alle kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten zusammen. Aber eines eint uns heute: Gemeinsam stehen wir für unsere Demokratie.“ Die Krisen der Zeit könnten nur gemeinsam angegangen werden. „Krisen machen Angst, verführen dazu, einfache Antworten zu suchen, die schnelle Lösungen versprechen“, so die Theologin. Doch einfache Antworten passten nicht zu einer komplexen Welt. Zu Vielfalt und einem bunten Nassau rufen die vielen Plakate auf, die den Parteianhängern entgegen gehalten werden. „Nazis raus!“, „Nassau bleibt bunt!“ bekommen sie zu hören und zu lesen.

Vielfalt ist unser Reichtum

„Vielfalt ist unsere Chance. Vielfalt ist unser Reichtum“, erklärt Janott. Dafür sei gerade Nassau ein gutes Beispiel, wo seit Jahrzehnten Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben und wo am Sitz der Stiftung Scheuern Inklusion ganz selbstverständlich gelebt werde. „Wir als bunt zusammengewürfelter Haufen aus Menschen gestalten gemeinsam unsere Welt. Es braucht jeden und jede von uns.“ Dazu mahnt sie, wieder mehr das zu tun, was zusammenbringt: „Redet miteinander! Hört einander zu! Nehmt einander ernst! Haltet Verschiedenheit aus! Findet Gemeinsamkeiten! Hört aufeinander!“. Dazu brauche es eine Haltung der Achtung und des Respekts, das, was Christen Nächstenliebe nennen. Janott: „Hass und Hetze, Ausgrenzung und Menschenverachtung haben da keinen Platz“.

 

Völkisches Ideal entspricht nicht christlichem Menschenbild

Dann fordert sie dazu auf, in den Dialog zu treten. Menschen aus dem Dekanat stehen mit großen bunten Regenschirmen dazu parat. Trotz Geräuschpegels nutzen viele der Demonstrierenden die Gelegenheit. „Wir lehnen nicht Menschen ab, wir lehnen deren Meinungen und Haltung ab“, sagt einer. Andere diskutieren die Frage, wie es gelingt rechtsextremistischem und ausländerfeindlichem Gedankengut Grenzen zu setzen oder Menschen vor „Rattenfängern“ zu bewahren, die einfache Antworten auf komplexe Fragen versprechen. „Dort bekommen die Leute, was ihnen im Leben bisher vielleicht fehlte – Anerkennung und eine Aufgabe“, meint eine Besucherin im Dialog über die insbesondere jungen Leute, die zur Parteiveranstaltung in die Stadthalle einziehen oder als Ordner dienen. „Dass denen so viele junge Menschen auf den Leim gehen, macht mir Angst“, sagt ein anderer Demonstrant und weiter: „Ich glaube, wir müssen unser Bildungssystem deutlich verbessern“. Deutliche Worte findet auch der theologische Vorstand der Stiftung Scheuern Pfarrer Gerd Biesgen: „Das völkische Ideal, das diese Partei vertritt, verträgt sich nicht mit dem christlichen Menschenbild“.

Ganz praktisches Anschauungsmaterial hat Janott auch mitgebracht, ein Faltblatt der hessen-nassauischen Diakonie mit dem Titel „Nächstenliebe verlangt Klarheit – Auseinandersetzung wagen und im Gespräch bleiben“. Nach der fast zweistündigen Mischung aus Pfeifkonzert, Hupen, Gesprächen, Regen und Wind treten die Demonstrierenden nach und nach den Heimweg an. Die Fahnen vor der Nassauer Stadthalle wehen weiter, auf denen zu lesen ist: „Unser Kreuz hat alle Farben! Für Menschenwürde, Demokratie und eine offene Gesellschaft“.

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