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Weihnachtsgrüße der Propstei

"Lernen wir, uns als Geborene zu verstehen!"

Farideh DiehlPröpstin Henriette Crüwell

Mein Weihnachtswunsch für Sie und für uns alle

In der Offenbacher Friedenskirche, wo ich bis vor einem Jahr Pfarrerin war, ist es seit Jahrzehnten bis heute ein sorgsam gehüteter Brauch, am Heiligen Abend nach dem Segen die großen Kronleuchter oben auszumachen und in der dunklen, nur von Kerzenschein erhellten Kirche gemeinsam wie aus einer Kehle „O du fröhliche, o du selige…“ zu singen. Das ist alle Jahre wieder ein ganz besonderer Weihnachtsmoment, weil wenigstens für diesen einen Augenblick die Sorgen einmal außen vor bleiben dürfen und mit ihnen alles, was uns auch in diesen Tagen wieder so bedrängt und schwer auf dem Herzen liegt. Die jungen und alten, lauten und leisen Stimmen dieses Abends vereinen sich dann nämlich in diesem weihnachtlichen Kerzenschein nicht nur miteinander, sondern auch mit jenen unzähligen anderen, die sich vor uns so sehr nach Frieden und einer Welt gesehnt haben, die im Letzten gerettet und geborgen ist. „Welt ging verloren, Christ ist geboren“ singen wir uns daher überall aufs Neue gemeinsam in diesen Trost hinein.

Und mir geht alle Jahre wieder dieses Trostwort lange nach. Nicht nur in der Heiligen Nacht, sondern auch in diesen Tagen zwischen den Jahren, wenn ich auf das zurückschaue, was mir bei allem Erlebten, aller Freude und allem Dank das Herz auch in den vergangenen Monaten immer wieder neu hat schwer werden lassen. Und ich frage ich mich mit Bangen, wie denn endlich Frieden sein kann in einer Welt, die so verloren scheint in all dem nicht enden wollenden Blutvergießen rund um unseren Globus, in all dem neu aufflammenden Hass gegenüber unseren jüdischen Geschwistern, in all der Einsamkeit und Armut, die für viele zu echtem Leid wird, in all der Angst um diesen Planeten, die uns kaum noch lachen lässt.

„Welt ging verloren. Christ ist geboren!“ singen wir und wünschen uns nichts sehnlicher, als dass wir Trost und Hoffnung endlich wieder so buchstabieren können, wie sie gemeint sind.

„Ich frage mich, was das denn für ein Trost sein kann,“ meinte neulich ein ehemaliger Kollege, inzwischen Ruheständler, nachdenklich. Auch in diesem Advent habe er wieder Weihnachtskarten bekommen, in denen steht: „Wir leben in dunklen Zeiten, aber uns ist ein Kind geboren!“ „Solche Karten habe ich schon vor 40 Jahren aus dem Briefkasten gezogen,“ sagt er. „Und jedes Jahr sind es wieder dunkle Zeiten. Und jedes Jahr heißt es dann wieder: „Uns ist ein Kind geboren!“

Und ein Freund erzählt, er sei schon als Grundschüler über die drei Worte „Alle Jahre wieder“ gestolpert. „Warum muss das Christkind eigentlich alle Jahre wiederkommen?“ hätte er sich damals gefragt „Warum bleibt es nicht einfach bei uns?“ Und wie ein Echo höre ich dann den Weihnachtsschlager, der in diesem Advent in den Kindergärten der Hit ist: „Und das feiern wir, Jesus hat Geburtstag, Gott kommt heut zu dir, Jesus hat Geburtstag. Und das feiern wir!“ Und insgeheim denke ich dann – plötzlich ganz Kind: Na dann lebt er ja!

Und vor ein paar Jahren fragte mich ein Dreikäsekoch: „Warum feiern wir den Geburtstag von Jesus, wenn er doch schon am Kreuz gestorben ist?“ Und irgendwie hat er ja auch recht. Denn wir feiern Weihnachten eben nicht als 2023. Geburtstagsparty. Und wir erinnern uns auch nicht nur sentimental an die ferne Geburt eines Kindes in einem Stall irgendwo in den Feldern von Bethlehem. Nein, wir glauben uns an diesem Abend und in dieser Nacht in jenes unfassbare Geheimnis hinein, dass dieses Kind wie wir alle an einer Nabelschnur hing, und dass Gott, so glauben wir, in diesem Erstgeborenen sein Leben mit dem unseren buchstäblich „vernabelt“ hat, so dass er in jedem Menschenkind zur Welt kommt, um durch dieses Kind die Welt neu zu lieben. Denn „Christ ist erschienen, uns zu versühnen“, heißt es in der zweiten Strophe von „O du fröhliche“. Und jedes Neugeborene, das wir in unseren Armen halten und bewundern, erinnert uns daran, dass wir einmal selbst so ein Versprechen waren und fragt, ob wir dieses Versprechen auch halten werden.

Von jeher mahnen uns die Gutmeinenden: „Mensch, gedenke, dass Du sterblich bist!“ Dieser Blick hat uns Menschen von jeher geprägt. Nicht immer zu unserem Besten. Denn der Tod macht uns Angst. Er reißt uns heraus aus Beziehungen. Und wo dann noch ergänzt wird: Also lebe und genieße das Leben, wenn es sein muss auch auf Kosten der anderen, der Natur und der Tiere, dann ist dieser Blick geradezu verhängnisvoll. Denn er führt dazu, dass wir mit den Menschen, mit uns und der Schöpfung respektlos umgehen und am Ende alles zerstören. Dabei ist uns Menschen doch auch das Geborenwerden gemeinsam. Mensch, vergiss nicht, dass Du geboren bist! Kann der Blick auf dieses Geborenwerden uns nicht doch immer wieder verändern und die Welt um uns um einiges schöner machen?  Wir wurden alle von unserer Mutter geboren. Wir sind von Geburt an in Beziehung zu anderen Menschen.  Wir brauchen ihre Liebe und ihre Zuneigung. Ihr Lächeln. Ihre Wärme. Ihre Sorge. Wir sind gebürtige Menschen. Wir haben eine Herkunft.

Mit feinem Gespür für einprägsame Bilder von der Nabelverknüpfung, die die Lebenden untereinander verbinde und die das Unendliche sei, spricht auch die französische Philosophin Corine Pelluchon. Und sie wirbt darum, dass wir lernen, uns als Geborene zu verstehen. Auch wenn wir nach der Geburt abgenabelt worden sind, bleibt doch diese Narbe als Zeichen in unserer Körpermitte, die uns immer daran erinnert, wir sehr wir auf die Liebe und Nähe der anderen angewiesen sind und wie sehr wir doch einander brauchen. Und es ist eine Verbundenheit, die die Welt nicht verloren gibt. Ganz im Gegenteil.

Und so sind wir mit den Menschen aller Zeiten in doppelter Weise verbunden, körperlich und symbolisch, bis zu jenem Anfang, der der Ursprung von allem ist. In jedem von uns ist doch das Pulsieren von einem anderen Leben als dem eigenen spürbar. Auch Adam, „der Erdling“ und „Eva“, „die Leben Spendende“ stehen in dieser Verbundenheit. Die Künstler wissen seit eh und je darum, wenn sie auch das erste Menschenpaar mit einem Nabel ausstatten.

Und dieses Hinwenden auf den Ursprung und die Mitte allen Lebens heißt doch, dass wir in der Liebe verbunden sind, noch vor dem ersten eigenen Atemzug.

In der Kirche haben wir auch das etwas altertümliche Wort „Erbarmen“. Es ist eine Übersetzung des hebräischen „Rachmim“, was nicht nur Erbarmen, sondern auch Mutterschoß bedeutet. Die Bitte um Erbarmen ist die Bitte um diesen gemeinsamen Mutterschoß. Und nach diesem Erbarmen sehnen wir uns gerade an Weihnachten zurück, wenn wir singen: „Christ ist geboren!“

„Wir feiern Weihnachten“, schreibt der Mystiker Meister Eckhardt, „auf dass diese Geburt auch in uns Menschen geschieht. Wenn sie aber nicht in mir geschieht, was hilft sie mir dann? Gerade, dass sie auch in mir geschehe, darin liegt alles.“

Und so möchte ich uns allen an diesem Weihnachten eines ganz besonders ans Herz legen: Nimm dir Zeit für dich und damit für Gott. Darin liegt alles. 15 Minuten am Tag, 1 Prozent deines Lebens. Diejenigen, die es wie Meister Eckhardt gemacht haben, sagen: Daraus erwächst Kraft für die anderen 99 Prozent. Kraft zu lieben, Kraft aber auch, um die Ohnmacht auszuhalten, und die Grenzen zur Hoffnung, die keine sein dürfen, trotz und wegen des unseligen Blutvergießens und der unseligen Gedankenlosigkeit um uns herum. Denn Gott ist in uns Mensch geworden, um durch uns die Welt mit all ihren Geschöpfen zu lieben. 

Und wenn zwischen den Zeiten alle Kerzen auf dem Adventskranz und Tannenbaum erloschen sind, lass eine Kerze weiter brennen. Für eine Viertelstunde. Jeden Tag.

Wir brauchen Menschen – vielleicht wie selten zuvor – die aus „Kraft, Liebe und Besonnenheit“ handeln, aus der Kraft und der Liebe des Kindes in der Krippe. Aus jener Liebe, die uns Menschenkindern vielleicht immer wieder verloren geht.

Und das ist mein Weihnachtswunsch für Sie, für uns alle: Dass wir uns und die Welt nicht verloren geben, sondern dass wir mit Hoffnung weiter lieben und weiter glauben, damit wir alle Jahre wieder singen: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit. Welt ging verloren. Christ ist geboren. Freue, freue Dich o Christenheit.“ Immer und immer wieder.

Gott segne Sie!

Ihre

Henriette Crüwell

Pröpstin für Rheinhessen und das Nassauer Land

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"Gebet des Herzens" – Anleitung und Hintergrundinformation

„Setzte dich hin und lasse dich lieben.“ - Kleine Anleitung zum Herzensgebet

Ich suche mir einen Platz, wo ich eine Weile für mich sein kann. Ich entscheide mich, jetzt da zu sein und mein Herz für den liebenden Blick, den Gott mir schenkt, zu öffnen.  

Ich nehme eine geerdete, aufgerichtete Sitzhaltung ein.

Gedanken und Gefühle nehme ich wahr, ohne zu werten: Wie ich bin, darf ich sein.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf meinen Atem... spüre, wie ich einatme und ausatme ... ich muss nichts dafür tun – es geschieht ganz von allein.

Ich werde achtsam für Gottes Gegenwart im Hier und Jetzt.

Ich spreche innerlich mein Herzenswort, ruhig, aufmerksam. Ich wiederhole das Wort, nicht mechanisch, sondern in gesammelter Aufmerksamkeit, in Hinwendung zu Gott.

Wenn meine Gedanken abschweifen, lasse ich sie sanft vorbeiziehen, und kehre ohne Ärger über mich selbst zurück zum Atem und Herzenswort.

Das Herzensgebet – zum Hintergrund

 „Das Herzensgebet ist nicht eine zu erlernende spirituelle Technik, sondern ein Dialog ganz eigener Art, eine vertrauende innerste Überlassung.“ Von Ralf Stolina

Die kontemplative Tradition des Herzensgebetes, auch Jesusgebet genannt, besitzt seinen Ursprung in der Spiritualität der Wüstenväter und Wüstenmütter. Es war in der ganzen Christenheit, besonders in der orthodoxen Tradition, verbreitet. In den letzten Jahrzehnten wurde es auch in den westlichen Kirchen wiederentdeckt. Im Kern des Herzensgebetes steht das Verweilen in der Gegenwart Gottes. Das betende Wiederholen des sogenannten Herzenswortes dient nicht der Erfüllung eines Gebetspensums, sondern will helfen, sich immer wieder aus den umherschweifenden Gedanken in die liebende Gegenwart Gottes zurückzuholen und eine Haltung einzuüben, die aus der Verbundenheit mit Gott lebt. Klassische Herzensworte sind: „Herr Jesus Christus“ (einatmend), Gottes Sohn, erbarme dich meiner (ausatmend)“; oder: Christus (beim Einatmen), Jesus (beim Ausatmen); oder: „Du in mir (beim Einatmen), ich in Dir (beim Ausatmen)“; oder einfach: „Ja“ (beim Ausatmen). Wer möchte, kann bei jeder Wiederholung des Herzenswortes einen Knoten bzw. Perle des Komboskini (Gebetskette) durch die Finger gleiten lassen. Dies dient nicht dem Abzählen der Gebete, sondern will helfen, die Gedanken zu sammeln.

Pfarrer Thomas C. Müller, Referent für Geistliches Leben im Zentrum Verkündigung der EKHN

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