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Jahreslosung 2023

"Du bist ein Gott, der mich sieht" (Gen 16,13)

H. Wiegers

Gedanken zur Jahreslosung 2023 von Pfarrerin Julia Freund, Stellvertretende Dekanin des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim.

© ekiba / fundus.ekhn.de

Liebe Schwestern und Brüder,

ein neues Jahr beginnt, und wie in jedem Jahr hat die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen mit der Biblischen Jahreslosung dem Jahr 2023 sozusagen eine Überschrift gegeben: "Du bist ein Gott, der mich sieht!" (Gen 16,13)
 
Mich erinnert dieser Bibelvers an ein Spiel, dass ich mit meinen Grundschulkindern oft spiele: „Ich sehe ein Kind, das du nicht siehst, und das hat einen roten Pullover an!“ Alle Kinder dürfen raten, welches Kind ich mir heute ausgesucht habe, und das erwählte Kind strahlt, denn es weiß: Ich wurde heute ausgesucht. Ich wurde gesehen!

Gesehen zu werden, wahrgenommen zu werden, ist unendlich wichtig für Kinder. Und wir dürfen getrost annehmen, dass dieses Grundbedürfnis als Erwachsener noch genauso in uns lebt. In jüdisch-christlicher Tradition hat sich uns Gott auf eine Weise offenbart, die diesem menschlichen Grundbedürfnis nach Bindung entspricht: Du bist ein Gott, der mich sieht!

Schon das Judentum ist in seinem ureigensten Wesenskern eine Religion der Beziehung. Gott erwählt sich sein Volk, er nimmt sich der Menschen an in ihrer Not. „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen…“ (Ex 3,1) - mit diesem Wort beginnt die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten.

Doch nicht nur das erwählte Volk, nicht nur besondere Propheten, sondern auch „ich“ werde von Gott gesehen. Das ist so besonders, und das ist es, was in Jesus Christus seine letzte Konsequenz erfährt: Gott bleibt nicht irgendwo in der Ferne, im Himmel, sondern ER kommt in unsere Welt, als unser Gegenüber, ER sieht unsere Nöte, unsere Ängste, unsere Freude. ER sieht mich an und unter seinem Blick werde ich schön. Du liebst mich, also bin ich: Angenommen, geliebt zu sein, das lässt mich aufblühen, das hilft mir, mich zu entfalten, zu der Person zu werden, als die DU mich gemeint hast.  

„Du bist ein Gott, der mich sieht!“

Im Buch Genesis sagt Hagar dieses Wort in der Zeit ihrer Not. Sie war geflohen, vor dem Zorn von Abrahams Frau Sara. Eine Geschichte aus einem fremden Kulturkreis. Sara hatte ihre Magd Hagar Abraham angeboten, damit er mit ihr den ersehnten Nachwuchs zeuge. Doch schwanger geworden, wird Hagar hochmütig, ein Rangstreit zwischen den Frauen entbrennt. Und Hagar flieht in die Wüste. Dort begegnet sie dem Engel des Herrn: Gott lässt sie nicht allein in ihrer Not, Gott sieht sie. Die Geschichte mutet uns einiges an Fremdheit zu. Und fremd, ausgestoßen, fühlte sich auch Hagar - ihr Name bedeutet „die Fremde.“ Die Jahreslosung lenkt damit unseren Blick auch auf jene, die heute in unserem Land fremd sind, die am Rande der Gesellschaft leben als Geflüchtete, als Menschen mit Migrationserfahrung, als Menschen, die in ganz anderen Kulturen beheimatet waren.

"Du bist ein Gott, der mich sieht!"

Unter deinem Blick werde ich schön. Möge uns die Jahreslosung für das Jahr 2023 stärken und möge sie unseren solidarischen Blick auch auf die Menschen richten, die in unserem Land Fremdheit erleben.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes, gesundes und begegnungsreiches Jahr 2023!

Ihre Julia Freund
Stellvertretende Dekanin
Evangelisches Dekanat Ingelheim-Oppenheim

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