Religionen bitten gemeinsam für den Frieden in nah und fern

© Bernd-Christoph Matern

Christen, Juden, Muslime und Migrationsbeirat mahnen in Bad Ems zum respektvollen fürsorglichen Miteinander

Von Bernd-Christoph Matern

(20. November 2024) Religionen wird oft der Vorwurf gemacht, sie seien der Grund für gewaltsame Auseinandersetzungen in der Welt. Das Friedensgebet, zu dem die christlichen Gemeinden in Bad Ems zum elften Mal in die katholische Pfarrkirche St. Martin eingeladen hatten, bewies zumindest, dass es anders sein sollte. Die dort zitierten Verse aus dem Alten und dem Neuen Testament, Suren aus dem Koran und Fürbitten mahnten, den Frieden nicht nur im Jenseits, sondern heute schon auf der Welt, in der Gesellschaft und Familie zu suchen und im respektvollen Umgang mit dem Nächsten Streit, Hass, Missgunst und Gewalt zu überwinden.
Von vier Standorten aus hatten sich die Teilnehmenden auf den Weg zur illuminierten Pfarrkirche gemacht. „Steh auf und geh mit! Wir beten für den Frieden!“ stand auf dem Banner, das sie vor sich hertrugen. Die katholische, die evangelische, die russisch-orthodoxe Kirchengemeinde der Kreisstadt, Vertreter jüdischen Glaubens, die Ahmadiyya- Gemeinde Koblenz, die türkische Gemeinde Bad Ems, das evangelische Dekanat und der Beirat für Migration und Integration des Kreises und aus Lahnstein hatten das interkulturelle und interreligiöse Friedensgebet gemeinsam vorbereitet. „Nie wieder ist jetzt!“, stellte Dr. Hildegard Simons, Leiterin des Organisationsteams, das Motto vor, das evangelische und katholische Kirche für den diesjährigen Friedensmarsch ausgewählt hatten. „Angesichts unserer Geschichte ist es unsere Pflicht, extremistisches Gedankengut nicht zuzulassen und uns entschieden dagegen zu stellen“, sagte Simons und nannte in dem vollen Gotteshaus eine Reihe alarmierender Zahlen an religiösen Übergriffen in Deutschland.

So habe die Zahl antisemitischer Handlungen 2023 um mehr als 80 Prozent zugenommen, insgesamt gab es 42 Anschläge auf Synagogen. „Aber auch auf andere religiöse Gemeinschaften gab es Gewaltakte“, erinnerte die Initiatorin des Friedensgebets und nannte etwa 70 Angriffe auf Moscheen und 92 Angriffe auf Kirchen, die verzeichnet worden seien. Simons: „Ein Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften und eine deutliche Abgrenzung vom Terror sind umso wichtiger. Wir müssen gemeinsam für den Frieden einstehen und klar machen, dass Gewalt in unserem Namen keine Rechtfertigung findet.“

Deutsch, hebräisch, türkisch und ukrainisch wurde um Frieden gebetet und daran erinnert, wie der Glaube an den gemeinsamen Gott (Allah) dazu die Menschen befähigt. Keine Nation solle das Schwert gegen eine andere erheben, riefen etwa Pfarrerin Lieve Van den Ameele und Pfarrer Michael Scheungraber in ihren Predigtgedanken dazu auf, sich in Güte und Treue zu begegnen. Neben Friedensstiftern, ganz gleich welcher Religion sie angehören, bedürfe es auch des inneren Friedens, um an einer gewalttägigen Welt nicht zu verzweifeln. Sie zitierten Dietrich Bonhoeffer: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn der Friede muss gewagt werden.“. Wer Sicherheit fordere, habe Misstrauen; „dieses Misstrauen gebiert wiederum Krieg“, hatte der in der Nazi-Diktatur ermordete Theologe geschrieben.
Eindrucksvoll wurden Gebete und Gedanken zum Frieden musikalisch verstärkt. Ein Gesangs-Trio der russisch-orthodoxen Gemeinde mit Wassily Kotykov stimmte unter anderem einen cherubinischen Lobgesang an; die Chöre Viva Musica aus Welschneudorf und der Folklore-Chor Montabaur traten unter Leitung von Regine Reisinger gemeinsam auf und beschworen mit Udo Jürgens Hit „Ich glaube“ oder der jüdischen Hymne „Hine mah tov“ ein gelingendes Zusammenleben der Menschen. Begleitet wurden sie von Dr. Thomas Reisinger mit der Violine und Kantor Jan Martin Chrost am Klavier. Letzterer schenkte an der Sandtner-Orgel dem Friedensgebet gefühlvolle Klangfarben zum Eingang und eine hoffnungsvoll stimmende Improvisation zum Auszug.
Vor der Kirche gingen die Verbundenheit und die Bereitschaft zum friedlichen Miteinander im wahrsten Sinne auch durch den Magen, denn es gab Kleinigkeiten aus der interkulturellen Küche auf die Hand nebst einem mitmenschlichen Austausch. Getränke konnten in einer eigens für den Friedensmarsch gestalteten Tasse getrunken werden. Sie soll dazu beitragen, die in den vergangenen Jahren immens gestiegenen Kosten der Veranstaltung zu mindern, wie Simons erklärte.

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